Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



15. Oktober 2013

Shandra - eine Offenbarung

Ich denke, ich habe Euch lange genug in Ruhe gelassen.
Und ich habe mich in letzter Zeit wirklich mehr als ein Mal am Riemen gerissen, um diese Ruhe lange zu erhalten. Zuletzt habe ich mir sogar extra noch eine saftige Erkältung zugelegt, die mich eine gute Woche ans Bett, respektive Sofa, gefesselt hatte.

Und ich habe auch einigen Versuchungen, doch etwas zu schreiben, tapfer widerstanden.
Da war zum Beispiel diese Begegnung mit einer Touristin und ihren beiden, kleinen Kindern.

Zumindest hoffe ich, dass es eine Touristin war. In gut hörbarer Lautstärke trällerte sie durch das Bahnabteil: "Wir sind alle Fischköppe!"
Nach dem Vorbild von "The Voice" drehte ich mich natürlich nicht um. Qualitativ wie auch inhaltlich war das unter aller Kanone. Und nachdem sie diese unsägliche Zeile nochmals wiederholt hatte, wandte sie sich an eines ihrer Kinder (ich gebe zu, ich hatte mich mittlerweile dann doch umgedreht) und setzte diesem verbal die Pistole auf die Brust: "Bist du auch ein Fischkopp?" Ahnungslos und bestimmt auch verängstigt antwortete das unschuldige Kind: "Ja."

Liebe Leute, hier noch mal für alle zum Mitschreiben: die Bezeichnung "Fischkopp" oder meinetwegen auch "Fischkopf" ist eine Beleidigung! Punkt!
Natürlich kann man unter Freunden und Bekannten jemanden auf neckische Art und Weise gerne mal in dieser Form ansprechen. Und sicherlich rangiert dieser Begriff in der Hitliste der Beschimpfungen eher im hinteren Bereich. Nichtsdestotrotz sollte man mit diesem Wort sparsam umgehen. Nicht umsonst bezeichnen wir Hamburger die Fischköppe von der Weser als Fischköppe...und umgekehrt.

Die Fischkopp-Touristin, der ich zu Gute halten will, dass sie möglicherweise tatsächlich aus Richtung Weser angereist war und somit lediglich die Wahrheit laut ausgesprochen hatte, verließ an der nächsten Haltestelle den Waggon. Einem der kleinen Balgen rief sie beim Aussteigen zu: "Schön vorsichtig. Mach einen großen Schritt."
Jemand aus dem Zug rief hinterher: "Aber einen GANZ großen!"
Soviel zum Thema "Fischkopp".

Auf derselben Strecke, in derselben Bahn, ereignete sich eine weitere Begegnung erwähnenswerter Natur. Ein junges Mädel stand eher unscheinbar in der Ecke. Und bis in alle Ewigkeiten wäre sie mir völlig unbekannt und unscheinbar geblieben, wenn sie nicht zum Handy gegriffen hätte. Unter Berücksichtigung aller vernommenen Fakten und Wortfetzen ging ich spätestens im Nachhinein davon aus, dass sie ihre Mutter anrief. Eventuell war es auch der Vater. Einigen wir uns auf einen volljährigen Verwandten ersten Grades.
"Kannst Du mich gleich abholen? Ich bin in zehn Minuten Diebsteich (S-Bahn-Station in Hamburg-Bahrenfeld, Anm. d. Red.)."
Und in spätestens zwei Jahren bist du Hartz IV, wenn du nicht lernst, ganze Sätze zu sprechen!
Was "Barmbek" heute wohl so treibt?

Den folgenden, teils unvollständigen Sätzen konnte man entnehmen, dass es offensichtlich Schwierigkeiten im Hinblick auf das gewünschte Treffen gab. Es gipfelte schließlich in folgender, unsinniger Frage: "Wo bist du denn in zehn Minuten, wenn ich Diebsteich bin?"
Wo soll ich anfangen? Lassen wir die Grammatik am besten mal ganz außen vor. Bleibt aber immer noch die Frage nach Sinn und Zweck dieser Äußerung. Ich meine, was hat sie denn davon, zu wissen, wo sich der Gesprächspartner befindet, wenn sie an der Haltestelle Diebsteich ankommt? Er ist jedenfalls nicht am Diebsteich und nur darauf kommt es doch gerade an, oder was?
Auch die Person am anderen Ende der Leitung machte nun Anstalten, diese Unterhaltung in absehbarer Zeit zu beenden. Es wurden bereits Abschiedsfloskeln formuliert, als die Unscheinbare plötzlich doch noch mal ein neues Thema anschnitt.
"Und übrigens!", brüllte sie in ihr Handy. Wir alle wissen sicherlich, dass die beiden Wörter "und" und "übrigens" für gewöhnlich eine wirklich unerfreuliche Information ankündigen, wenn sie zusammen in einem Atemzug lautstark ausgesprochen werden.
"Ich bin wegen drei Punkten durchgefallen! Aber das war reine Schikane! Das hat die mit Absicht gemacht!"
Keine Ahnung, worum es dabei ging. Die Abitur-Prüfung war es sicherlich nicht.
Die ist ja immer im Sommer.
"Ja, keine Ahnung. Ich konnte da auch nicht mehr machen, ich hatte nämlich keinen Fotoapparat dabei."
Die Abitur-Prüfung war es definitiv nicht. Es wurde leider auch nicht mehr aufgelöst, um was für eine Prüfung es sich handelte, denn der Gesprächspartner setzte seinen ursprünglichen Plan nun in die Tat um und beendete das Gespräch.

Nur ein paar Tage später, wir befinden uns natürlich wieder in der U-Bahn, begegnete ich erneut ein paar Touristen. Diese Exemplare kamen aus Berlin und unterhielten sich über einen gemeinsamen Bekannten, der nicht anwesend war. Das einzige, was ich über diesen Unbekannten erfuhr, war, dass er scheinbar nicht sonderlich groß gewachsen war und einen Schlag bei Frauen hatte. Denn eine der anwesenden Damen erzählte folgendes: "Den hab´ ick mal zusammen mit zwei Frauen reinkommen sehen. Das war vielleicht lustig. Er in der Mitte und die beiden neben ihm. Und die waren auch noch ziemlich groß, bestimmt so (sie zeigt die Höhe mit ihren Händen, Anm. d. Red.). Und er in der Mitte, der Kleene!" Allgemeines Gelächter folgte.
An und für sich keine besonders spektakuläre Erzählung. Allerdings fand ich es sehr interessant, wie die Dame die Körpergröße der beiden, beschriebenen Frauen anzeigte. Und zwar hob sie ihre beiden Hände und hielt diese rechts und links von sich in die Höhe...exakt auf Höhe ihres eigenen Scheitels.
Also Entschuldigung, aber das ist doch wieder typisch Frau, oder nicht?! Erzählt von scheinbar riesig gewachsenen Amazonen und man stellt sich vor dem geistigen Auge bereits Beine bis in den Himmel vor und dann zeigt sie ihre eigenen, wenn's hochkommt 170 Zentimeter an. Wie groß beziehungsweise klein soll denn dann dieser ominöse Bekannte sein? 1,20 Meter? Ansonsten würde es ja nicht so unfassbar witzig aussehen.
Der Höhepunkt der Erzählung sollte aber erst noch folgen, denn ganz am Ende fügte sie hinzu: "Aber er ist nett!" Und auch die anderen Damen stimmten sofort ein: "Ja, das ist ein ganz Netter!"
Ach so, na dann. Aber gut, dass ihr das noch mal dazu gesagt habt. Denn schließlich, weiß ja jeder, sind kleingewachsene Menschen für gewöhnlich Ausgeburten der Hölle ohne Anstand und Moral! Oder wie darf ich das sonst verstehen?

Und dann war da noch die Begegnung mit dieser Person in der Hafen-City. Eine Frau mit Handy. Eine aufgebrachte Frau mit Handy. Leider kann ich aber nicht sagen, warum die Gute so aufgebracht war. Denn obwohl ich nur gut drei Meter entfernt stand, war es mir nicht möglich, ihre Worte zu verstehen.
Dazu muss man vielleicht wissen, dass sie – vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade das war, was man weitläufig unter einer Schönheit versteht. Insbesondere in Sachen Anmut und Grazie wies sie erhebliches Verbesserungspotenzial aus.  
 
An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich klarstellen, dass es ganz und gar nicht meine Art ist, mich lediglich aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes eines Menschen diesem gegenüber despektierlich zu verhalten. Selbst wenn es schwer fällt. Doch in diesem Fall war eben dieses Erscheinungsbild ein großer Bestandteil der Komik, so dass ich leider näher darauf eingehen muss.
 
Also zurück zu…ich nenne sie mal Shandra. Shandra war also am Telefonieren und sah dabei nicht gut aus. Wie gesagt, nicht nur des Telefonierens wegen, sondern halt auch generell…irgendwie…so gar nicht. Und sie war aufgebracht. Schuld daran, so viel konnte ich vernehmen, war offenbar ein gewisser Daniel. Sie sprach allerdings nicht über ihn, sondern mit ihm. Und Daniel wollte offenbar nicht so wie Shandra. Oder er verstand sie ebenfalls nicht. Gut möglich. Denn Shandras Stimme stand in Punkto Anmut und Schönheit dem restlichen Körper in Nichts nach. Passend sozusagen.
Wie beschreibe ich dieses Organ am besten…kennt ihr Filme, in denen Tiere sprechen? Und wenn dort dann Unken, Kröten oder im Sterben liegende Walfische auftauchen, dann werden die ganz gerne mit einer solchen Stimme synchronisiert.
Gibt es überhaupt Filme, in denen Wale dem Tode nahe sind und dann auch noch sprechen? Egal. Jedenfalls klang die Stimme so. Man kann das übrigens recht einfach nachmachen. Einfach den Mund öffnen, den Unterkiefer lockern, die Stimmlage stark senken, den Kopf heftig hin und her schütteln und dann sprechen.
Ich weiß, dass derartige Anleitungen sehr zum Mitmachen ermutigen. Bitte stellt aber vorher sicher, dass ihr ganz und gar alleine seid.
Shandra jedenfalls faltete Daniel in eben diesem Bariton ziemlich zusammen. Ihren lasziven Körper rekelte sie dabei gekonnt an einem Geländer, so dass es einem um die Statik Angst und Bange werden musste. Eines war jedenfalls klar, sie wollte Aufmerksamkeit.
Und diese Aufmerksamkeit hättest du auch bekommen, Shandra, wenn du nur ein wenig deutlicher gesprochen hättest. Doch so kann ich leider nur noch berichten, dass Daniel eine Ein-Wochen-Frist (wofür auch immer) aufgebrummt bekommen hatte und im weiteren Verlauf noch das Wort "Kieselsteine" fiel.
Beängstigend, wenn ihr mich fragt. 

All diese Begegnungen der letzten Tage konnten mich nicht zum Schreiben bewegen. All diese merkwürdigen und gesprächigen Personen vermochten es nicht, mich vor den Laptop zu bewegen.
Warum ich nun trotzdem wieder das Wort an Euch richte, fragt Ihr Euch? Nun, daran ist eine Begegnung von heute Morgen schuld. Eine Begegnung der dritten Art. Eine unheimliche Begegnung der dritten Art.
Gewohnt schläfrig betrat ich den Fahrstuhl, der mich zur Hauptpforte meines Anwesens bringen sollte, damit ich mich dem wilden urbanen Treiben der Hansestadt anschließen konnte.
Die Fahrstuhltür öffnete sich schließlich und gab den Blick frei auf folgendes...äh....Bild: 

Ist das Kunst oder kann das weg?
In Schockstarre verharrend betrachtete ich diesen apokalyptischen Reiter. War es etwa schon soweit? Sollte dies das Ende sein?
Erst Minuten später realisierte ich, dass es sich nur um ein Gemälde von fragwürdiger Qualität handelte.
Und dann erst erkannte ich die Zeichen! Die Offenbarung, die mich letztlich doch wieder zum Schreiben trieb:
das war Shandra, die stolz und kräftig ihre Vorderhufe in die Luft streckte und somit ihr stattliches Heck ins rechte Licht rückte. Auf ihr die langmähnige, riesenhafte Amazone mit knabenhaftem Körperbau, die mit dem Speer der Erleuchtung auf Fischkopp-Jagd ging. Und all dies arrangiert von der Unscheinbaren, die damit meiner Meinung nach völlig zu Recht durch die Prüfung gerasselt war!


8 Kommentare:

  1. Ich liebe deine Ubahn-Erzählungen. :D Du kriegst immer die Besten Sachen mit, wie machst du das bloß? Bei mir kommen immer nur die Sachen an, für die ich mich dann dermaßen fremdschäme, dass ich weghöre. ;)

    LG
    ACunicorn

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    1. Vielen Dank!
      Keine Ahnung, wie ich das mache :) Gib diesen komischen Leuten doch zukünftig einfach Mal eine Chance und hör genau zu. Wenn man das Fremdschämen erstmal überwunden hat, eröffnet sich einem oftmals ein großer Unterhaltungswert ;)

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  2. Hallo Profatus,

    wenn ich das hier immer bei Dir lese, komme ich fast in Versuchung mir ein Abo beim HVV zuzulegen und den ganzen Tag U- oder S-Bahn zu fahren. Richtig komisch.

    Beste Grüße
    Thomas

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    1. Moin Thomas!

      Den ganzen Tag HVV würde ich nicht empfehlen, da dreht man wahrscheinlich durch :) Aber ab und zu ist es in der Tat sehr lustig auf Hamburgs Schienen.

      Danke für Dein Feedback!

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  3. Haha, "ich nenne sie mal Shandra" und daraufhin ein Verweis auf die EleWiki, tue nicht so als wäre dir spontan dieser Name eingefallen ^^- aber wohl passend zu ihrer von dir beschriebenen Statur ;)

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    1. Da hat er mich erwischt...
      Zumindest hatte ich aber spontan die Assoziation mit einem Bewohner Hagenbecks im Sinn ;)

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  4. Hahaha, meine Schwester schreckte gerade auf, weil ich ohne den darauffolgenden Satz zu lesen erst Mal nachgemacht hab :D Ich kann mir jetzt auf jeden Fall gut vorstellen, wie ein im Sterben liegender Wal klingt!!
    Mal wieder ein super Post. Ich amüsiere mich jede Mal köstlich!! :)
    Bin ab Freitag auch endlich wieder ein paar Tage in Hamburg!! :)
    Liebe Grüße!!

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    1. Das häte ich ja auch zu gerne gesehen :)
      Lieben Dank für das positive Feedback. Und schon mal viel Spaß für Deinen nächsten Hamburg-Aufenthalt!

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Danke für Dein Interesse!
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