Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



7. Dezember 2015

Ruhe bitte!

Winter, Advent, Nikolaus, Weihnachten. Die Welle der Besinnlichkeit rollt unaufhaltsam auf uns zu und über uns hinweg. Ob wir wollen oder nicht.
Der ein oder andere mag regelrecht davon erschlagen werden. Für wieder andere beginnt erst jetzt der große Stress des Jahres. Die lange Zeit des Advents ist nicht ausnahmslos gut, das ist klar. Aber vielleicht können wir uns doch auf eine Sache einigen: es ist ein bisschen ruhiger als sonst.
Gerade das ist ja auch ein Grund, warum manche Leute ausgerechnet jetzt etwas durchdrehen. Erst jetzt, in der Ruhe, haben sie mal die Zeit, über gewisse Dinge nachzudenken. Ihren Job, ihre Familie, ihr Leben. In Einzelfällen führt diese ungewohnte Gehirnanstrengung zu fatalen Ergebnissen. Gewiss, das kann sehr unangenehm sein. Ungemütlich. Alles andere als weihnachtlich. Aber es ist ehrlich und notwendig. Und deshalb ist es gut.
Natürlich alles unter der Voraussetzung, dass der Denker dabei nicht völlig den Verstand verliert und Dinge tut, die man am nächsten Tag auf den Titelseiten der blutrünstigen Regenbogenpresse nachlesen muss.

Ich will mich hier und heute auch lediglich auf das Thema "Ruhe" an sich beschränken. Im positiven Sinne. Einfach mal die Klappe halten. Das kann sehr entspannend sein... 

Hamburg ist, gemessen an der Einwohnerzahl, die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Etwas mehr als 1,76 Millionen Menschen tummeln sich hier tagtäglich. Und nicht nur die. Auch von außerhalb, aus der sogenannten Metropolregion, strömen die Massen in die Hansestadt. Zum Arbeiten oder Shoppen oder weiß der Teufel was. Bezieht man diese Leute noch mit ein, so kommen wir auf insgesamt rund 5 Millionen Menschen, die sich mehr oder weniger regelmäßig innerhalb der Stadtgrenzen aufhalten. Und damit nicht genug, denn "on top" kommen ja noch unsere lieben Touristen. Laut Statistikamt Nord beinhaltet diese Kategorie noch mal ca. 6 Millionen Menschen jährlich, also folglich ca. 16.400 "Schaulustige" täglich. Um es kurz zu machen: mächtig voll hier!
Oder mit den poetischen Worten von "Fettes Brot" ausgedrückt: wenn man ehrlich gesteht,
sind solche netten, ruhigen Abende eher spärlich gesät.


So ist es folglich umso erholsamer und auch überraschender, wenn es mal etwas gemächlicher zugeht. Gleich zur Einstimmung zwei Aufnahmen mit Seltenheitswert, die mir in den letzten Tagen geglückt sind:

 
Bild 1
Die einsame Reisende
 
 
Ja, Ihr seht richtig: ein nahezu leeres Zugabteil. Und wer genau hinsieht, bemerkt, dass auch der Waggon dahinter scheinbar menschenleer ist. Erstaunlich.
Es handelt sich hier übrigens um eine Aufnahme in der U1 irgendwo zwischen Lattenkamp und Fuhlsbüttel vom 03.12.2015 um punkt 8 Uhr morgens. Das war ein Donnerstag! Sehr erstaunlich.
Ganz rechts am Bildrand, fast nicht zu erkennen, die einsame Reisende. Mitten in Hamburg an einem Arbeitstag. Überaus erstaunlich!
 
 
Bild 2
Ruhe in Vollendung
 
 

Diese Aufnahme entstand Mitte November am U-Bahnhof Lattenkamp. Auch an anderen Bahnstationen waren diese ominösen Kisten zu sehen. Ich habe bis heute nicht rausgefunden, was darin gelagert wurde. Oder was der generelle Sinn gewesen sein mag. Die auffallende Ähnlichkeit mit der -zugegebener Maßen- kostengünstigen, letzten Ruhestätte eines Menschen lässt sich aber nicht von der Hand weisen. Sozusagen Ruhe in Perfektion.


Zwei Fotografien von fragwürdiger Qualität, die andeuten, dass es in der großen Stadt also auch anderes zugehen kann. Und das ist gut so.
Ich persönlich bin zwar abhängig von dem ganzen Getöse und Gelaber, um lustige oder interessante Episoden daraus zu formen. Aber auch ich finde, dass Ruhe mal schön sein kann. Denn wenigstens eine Zeitlang kann ich ganz gut auf den alltäglichen Irrsinn der Großstadt verzichten.

Unterhaltungen, die mit "...und dann haben wir uns gegenseitig auf die Eier gehauen. Wie immer halt." (174er zwischen Poppenbüttel und Fuhlsbüttel) eingeleitet werden, braucht doch kein Mensch, oder was?! Ich meine, was soll da denn noch Sinnvolles folgen? Ganz genau: gar nichts!
Oder Formulierungen wie "Hast Du gesehen? Der Bus hat widerrechtlich den Zebrastreifen überfahren!" (114er am Lattenkamp). In London oder Rom hat man dazu eine ganz andere Meinung, würde ich sagen. Schön, wenn man sonst keine Probleme hat.

Apropos Probleme: folgende Unterhaltung durfte ich in einem Rewe-Supermarkt (bislang eigentlich "sicheres Terrain") an der Kasse mit anhören...

Kundin: Zum wiederholten Male waren heute Abend übrigens keine Einkaufskörbe am Eingang.
Kassiererin: Oh, ok.
Kundin: Ja, schon wieder. Immer wenn ich einkaufen gehe.
Kassiererin: Da kann ich leider nix zu sagen. Ich weiß auch nicht, warum da keine waren.
Kundin: Aber vielleicht können Sie das mal weitergeben.
Kassiererin: Ja, mache ich gerne. Aber ich bin nur eine Teilzeitkraft, ich sehe den Chef fast nie.
Kundin: Was hat das denn damit zu tun? Sie können das doch trotzdem weitergeben!
Kassiererin: Ja, natürlich. Ich wollte nur sagen, dass ich den Chef wahrscheinlich nicht persönlich sprechen werde.
Kundin: Na, das ist ja was. Dann muss ich vielleicht mal mit dem Chef reden, oder was?!
Kassiererin: Nein, nein. Wie gesagt, ich gebe es ja weiter.

Einfach mal die Fresse halten! Beide!
Zugegeben, es ist ja durchaus beruhigend zu sehen, dass die Menschen scheinbar keine anderen Probleme haben. Aber nerven tut es trotzdem!

Apropos Nerven: die lagen bei dem Busfahrer der folgenden Anekdote wohl auch recht blank...

Fahrgast im 114er, weiblich: Fahren Sie zum Orchideenstieg?
Fahrer: reagiert nicht
Fahrgast: Entschuldigung?
Fahrer: zeigt minimale Reaktion
Fahrgast: Orchideenstieg?
Fahrer: Hä?
Ich bin kurz davor, die Frage selbst zu beantworten. Lasse den Dingen aber dann doch ihren Lauf...
Fahrgast (nun etwas genervt): Fahren Sie zum Orchideenstieg??
Fahrer: Ja.
Kurze Pause
Fahrer: Aber das wissen Sie doch ganz genau.
Fahrgast: Wie bitte?!
Fahrer: Ja, ja...
Fahrgast: Sie müssen doch nicht gleich so unfreundlich sein.
Fahrer: Ja, ja...Sie aber auch!

Apropos genervte Busfahrer: sollte sich noch ein einziges Mal einer dieser Chauffeure darüber beschweren, dass die Fahrgäste alle vorne einsteigen, dann gibt´s aber meine Monatskarte in den Rachen!!!
Als wäre das unsere Idee gewesen?! Guckst Du hier: http://www.hvv.de/service/rechte-pflichten/einstieg_vorne/

Wo wir gerade über Ruhe in Verbindung mit den HVV-Beförderungsbedingungen sprechen, möchte ich an dieser Stelle unbedingt auf § 4, Absatz 2, Punkt 13 des voran genannten Formulars hinweisen. Dieser lautet wie folgt:

(2) Fahrgästen ist insbesondere untersagt
...
13. in den Fahrzeugen oder auf den Betriebsanlagen zu musizieren oder zu betteln

Ich kann es gar nicht oft genug sagen: die Musikanten in Hamburgs Bahnen nerven!!!
Nicht nur, weil die dargebotenen Musikstücke in der Regel einfach nur scheiße sind, sondern weil die "Auftritte" letztlich in punkto Qualität viel zu tief und in punkto Lautstärke viel zu hoch sind!
Ich freue mich schon auf die ersten Weihnachtslieder im geschlossenen Raum. Jingle Bells mit gefühlten 150 Dezibel. Ein Traum!

In diesem Sinne: I have a dream...dass es in den nächsten Tagen auf Hamburgs Straßen und Schienen eine Idee ruhiger zugeht. Auf dass die Gespräche sinnvoller und die Geräusche erträglicher sein mögen. BITTE!

Euch allen eine angenehme und vor allem ruhige Adventszeit!

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