Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



2. Juni 2017

Feuer und Eis

Fährt man dieser Tage in Hamburg (und vermutlich auch überall anders) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dann stellen sich einem verschiedene Fragen. Warum hat der Busfahrer wohl so miese Laune? Wie viele Kinderwagen passen hier eigentlich noch rein? Warum ist immer mindestens eine volltrunkene Person mit mir im Gefährt? Woher kommen die Assis eigentlich alle? Und vor allem: wo in Gottes Namen wollen die hin?

Fragen über Fragen. Mich hingegen beschäftigt zurzeit nur diese hier: welcher zurückgebliebene Einzeller ist eigentlich für die Temperatur-Regelung in den Bussen zuständig?

Quelle: radiohamburg.de

Ich kann jetzt nicht für andere Städte sprechen, aber in Hamburg ist es so, dass die Klimatösen der Öffis über exakt drei verschiedene Einstellungsoptionen verfügen. Hauptsächlich genutzt wird dabei die Stufe 1 = Aus!
Vermutlich wird irgendwo in den Richtlinien der öffentlichen Personenbeförderung in der Hansestadt Hamburg niedergeschrieben sein, wann und wie genau die Klimaregulierung in den Fahrzeugen zu gestalten ist. Und wer auch immer sich diesen Schmu ausgedacht hat, war offensichtlich der Meinung, dass "Stufe 1 = Aus" praktisch alle Außentemperaturen zwischen +20 bis -5 völlig ausreichend abdeckt.
Man kann es ihm ja auch gar nicht verdenken, schließlich wurde in zahllosen Tests in den 1980er Jahren mit Kapuzineräffchen und Königspinguinen hinlänglich bewiesen, dass "Stufe 1 = Aus" zu praktischer jeder Jahreszeit die Wohlfühlbedürfnisse der Fahrgäste erfüllt.
Sowohl die Kapuzineräffchen, die bei exakt 18,5 Grad Celsius Außentemperatur über Stunden zwischen Hagenbecks Tierpark und dem Volksparkstadion hin und her kutschiert wurden, als auch die Königspinguine, welche bei - 3,0 Grad Celsius gleich mehrfach von den Landungsbrücken zum Jungfernstieg transportiert wurden, wiesen bei diesen Tests keinerlei abnorme Auffälligkeiten auf. Ganz im Gegenteil, alle Probanden verhielten sich schlichtweg wie immer. Die dargereichten Speisen wurden gänzlich vertilgt und nebenbei gab es in beiden Fällen geradezu ausgelassene Paarungsvorgänge.

In den letzten Tagen dürfte einige von Euch dann übrigens in den Genuss der Klimastufe 2 gekommen sein. Diese hat den frohlockenden Beinamen "Eisberg vor Grönland".
Sobald sich das Quecksilber leicht über die 20 Grad-Marke schiebt, wird der Schalter umgelegt und der Bus verwandelt sich in den kältesten Ort, den man sich vorstellen kann. Das liegt ausnahmsweise nicht an den leeren und ausdruckslosen Gesichtern der Mitfahrer, sondern an der nunmehr eingestellten Temperatur.
Ein eben noch gut gelaunter, vor Vitamin D fast überquellender junger braungebrannter Mann in Shorts und Flip-Flops verwandelt sich nach dem Betreten des Busses quasi innerhalb von Sekunden in ein bemitleidenswertes Häufchen Elend. Sämtliche Gliedmaße versuchen sich, so weit sie können, in den Körper zurückzuziehen und das einsetzende Zähneklappern übertönt jedes noch so nervige Handyklingeln.
Die Hitzeschlag-Wahrscheinlichkeit beim Aussteigen liegt nachweislich übrigens deutlich über "normal".

Das Beste zum Schluss, die Klima-Stufe 3. Vom Hersteller übrigens mit der Bezeichnung "Flammenwerfer vor Grill im Hochsommer" betitelt.
Dieses, ich sag' mal, Temperatur-Erlebnis ist dem gemeinen Bus-Nutzer eher selten vergönnt. Wie schon anno 1945 heißt es auch heute im Winter immer noch: sparen, sparen, sparen! Und auch wenn oben genannte Richtlinie die Stufe 3 ab -5 Grad Außentemperatur vorschreibt, sträuben sich viele Verantwortliche lange dagegen. In der Regel wird dieser Schalter eigentlich erst dann umgelegt, wenn in den Nachrichten die ersten Meldungen über Königspinguine, die gen Süden fliegen, die Runde machen.
Grundsätzlich ist gegen eine muggelige Atmosphäre, gerade zur Weihnachtszeit, überhaupt nichts zu sagen. Allerdings haben die Erfinder etwas Entscheidendes vergessen: die Fahrgäste tragen nun eben nicht mehr Shorts und Flip-Flops, sondern die Amundsen-Gedächtnis-Ausrüstung, bei deren Anblick jeder Arktis-Forscher vor Neid noch mehr erblasst. Die von allerhand Daunen und Pelz zusammengehaltene Körpertemperatur von gut und gerne 40 Grad trifft nun also auf ein geschmeidiges Raumklima nahe dem Siedepunkt. Die Folgen sind verheerend!
Unbestätigten Meldungen zufolge sind alleine im Winter 1992 drei Fahrgäste von HVV-Bussen vollständig verdampft. Besonders tragisch war auch ein Ereignis im März 1985, als das Thermometer noch mal völlig überraschend unter den Gefrierpunkt sackte. Dabei soll eine Hausfrau aus Blankenese auf dem Weg zur Gymnastik (altes Wort für "Fitness", wahlweise auch "Yoga") innerhalb weniger Sekunden Feuer gefangen und komplett in Brand gestanden haben. Sie soll noch Tage später lichterloh brennend in der Nähe des Elbstrands gesehen worden sein.

Aber lassen wir uns von diesen dramatischen Ereignissen nicht den Sommer verhageln. Muss nicht sein und außerdem erledigen das schon andere für uns.
Beispielsweise dieses sympathische Pärchen, das heute in der U1 zwischen Fuhlsbüttel und Lattenkamp meinen Weg begleitete. Er Typ Besserwisser, wenig Haare, viel Bauch, 40+ Jahre alt. Sie Typ "ich weiß es noch besser", dürr, Brille, etwas jünger. Beide mächtig gelangweilt. Meiner Vermutung nach davon, dass ihnen halt keiner das Wasser reichen kann.
Sie reden, wie sollte es anders sein, über andere. Dieses andere Pärchen zum Beispiel, das "vor lauter Problematiken und Therapien keine Zeit mehr für was anderes hat" (Zitat Ende). By the way: das würde Euch auch mal ganz gut tun. Das mit der Therapie.
Dann aber die entscheidende Stelle der Unterhaltung: er liest ihr den Wetterbericht der nächsten Tage vor. Selbiger erscheint nämlich gerade auf dem Bildschirm des Fahrgastfernsehens (heißt wirklich so) und sie sitzt mit dem Rücken zum Monitor. Die präsentierte Wetterprognose sorgt nicht gerade für Erheiterung und das männliche Pärchentier hegt sogar Zweifel.
Daraufhin sagt sie folgendes: "Na ja, wir werden es ja dann sehen."

Stille.

Mehr Stille.

Wie jetzt? Ich meine...hä? Ja gut, natürlich werden wir "es dann sehen". Aber ich meine...was? Ist es nicht auch der Sinn einer Vorhersage, dass man eben alles schon vorher weiß?! Dieser eine Satz führt ja praktisch die komplette Branche der Meteorologie ad absurdum. Kachelmann, tu was!

Das ist ja so, als würde man über den nächsten Bundesligaspieltag fachsimpeln: wer ist verletzt, wie ist der aktuelle Lauf, wo wird gespielt. Und dann kommt da plötzlich jemand um die Ecke und sagt: "Na ja, wir werden es ja dann am Samstag sehen". Was zum...? Freundschaft beendet!
Es gibt stundelange Unterhaltungen, ach was sage ich, langjährige und glückliche (!) Beziehungen, die drehen sich praktisch nur um das Thema Wetter. Wie wird es wohl, wie ist es jetzt, wie war es eigentlich letztes Jahr zu dieser Zeit?!
Man stelle sich diese Person mal als Heeresführerin in der entscheidenden Schlacht vor. Alles rätselt, was der Feind wohl auffahren wird, aber sie "wird es ja dann sehen". Na dann ist ja alles gut, auf in den Kampf!

Ich sah dann endlich den Bahnhof Lattenkamp und durfte aussteigen. Feierabend!
Morgen übrigens Champions-League-Finale zwischen Juve und Real. Ich freue mich schon drauf. Wie das wohl ausgehen wird? Ach, werden wir ja dann sehen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke für Dein Interesse!
Hier kannst Du Deine Meinung zum Thema, dem Post oder Blog los werden. Ich freue mich über jede Art von Feedback, also bitte keine Hemmungen. Aber immer schön freundlich bleiben...