Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



14. Februar 2014

Nüchtern nicht zu ertragen

Der Tag beginnt mal wieder viel zu früh. Schlaftrunken schleppe ich mich zum Sofa, wo das Frühstück bereits angerichtet ist: Zigarettenschachtel an Feuerzeug. Gekonnt und ohne hinzusehen gelingt es mir mittels Fernbedienung die überhaupt nicht mehr flimmernde Flimmerkiste zu aktivieren. Während sich die Lunge mit den ersten Rauchschwaden füllt, erscheinen auf dem Bildschirm vor mir viel zu aufgedrehte und bunt gekleidete Menschen, die übertrieben grinsend ihre allmorgendliche Sendung moderieren.
Fast seufzend stoße ich den Rauch wieder aus der Lunge heraus und erwarte missmutig den nächsten Beitrag in dieser Clowns-Sendung.

Doch meine freudige Überraschung ist groß, als das neue Thema angekündigt wird: Alkohol, Unterkategorie Bier!
Zugegebenermaßen nicht gerade mein Favorit in der Liste „Top-Themen um 7:15 Uhr am Morgen“, aber es hätte schlimmer kommen können. Gerne wird man an dieser Stelle sonst auch von Beauty-Schrott, Horoskop-Blödsinn oder C-Promi-Trash genervt. Dann doch lieber Alkohol.
Der TV-Bericht behandelt den neuesten Trend im Netz beziehungsweise in den sogenannten Sozialen Netzwerken: die Biernominierung!
 
Kurze Erklärung für all diejenigen, die diesen Begriff zum ersten Mal hören: wird man bei diesem „Spiel“ nominiert (dies geschieht, soweit ich weiß, durch eine formlose, kurze Nachricht innerhalb der bevorzugten Website), muss man ein Video von sich selbst drehen, auf dem zu sehen ist, wie man ein frei wählbares Behältnis gefüllt mit einem halben Liter Bier in einem Zug, also ohne abzusetzen, austrinkt. Das besagte Video sollte dann natürlich irgendwo online der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Danach darf/kann/muss/soll man dann selber drei andere Personen nominieren, usw. Man könnte diese Nummer also auch als promillehaltigen Kettenbrief deklarieren.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass es dabei bereits zwei Todesfälle gab (ein junger Ire wählte Whiskey statt Bier, ein anderer Kerl ertrank bei den spektakulären "Dreharbeiten").
 
Nur mäßig begeistert lasse ich diesen Bericht über mich ergehen. Es ist jetzt zwar nicht so, dass ich derartige Trinkspiele generell verurteile (ich doch nicht), aber irgendwie kommt die Message des Ganzen bei mir nicht so wirklich an.
Vielleicht bin ich ja etwas naiv oder altmodisch, aber ich neige dann doch eher dazu aus altbekannten und -bewährten Gründen zu trinken: um zu vergessen, um die Stimmung zu steigern, um Frauen anzusprechen oder um zu tanzen. Manchmal auch alles gleichzeitig.
Aber alleine vor einer Kamera? Verstehe ich nicht.

Aus genau diesem Grund führt mich mein nächster Weg unter die Dusche und ich erspare mir den Rest der hopfenhaltigen Darbietung.


Nur wenige Augenblicke später befinde ich mich, frisch geduscht und bekleidet versteht sich, bereits auf dem gewohnten Weg zur Arbeitsstätte, der wie immer mit einer kurzen Bustour beginnt.
Wie der Zufall es so will ergattere ich einen komfortablen Stehplatz (sowohl festhalten als auch anlehnen ist möglich...ein Traum) und befinde mich in unmittelbarer Nähe von zwei recht jungen Mädchen, die sich, oh Wunder, über das Thema "Biernominierung" unterhalten.
Zunächst erläutern die beiden nochmals alle Bedenken und Nachteile, die dieser zweifelhafte Trend mit sich bringt. Und wie schlimm das doch ist und dass sie das nie selbst machen würden. Natürlich nicht. Ohne Pause setzt sich die Unterhaltung dann wie folgt fort:
"Ich verstehe das alles nicht so ganz. Ich würde das nie machen!"
"Ja genau. Ich könnte das auch gar nicht. Ich würde mich bestimmt total verschlucken oder so..."
"Ich würde das auch nicht mit einer Flasche machen. Ich würde ein Glas nehmen, ist viel einfacher!"
"Ja stimmt."
"Oh...hast Du das Video von Melanie (Name geändert) gesehen? Wie die sich plötzlich wegdreht?"
"Jaaaa...voll peinlich. Die hat das bestimmt gar nicht ausgetrunken!"
"Ja genau, glaube ich auch. Voll schwach!"

Tja, so viel dazu. Erst alles verurteilen aber in Wirklichkeit ist man selbst der größte Profi in der Geschichte. Ohne Worte. Die eine heißt bestimmt Emma
Komisch, wie komme ich denn jetzt auf Emma? Keine Ahnung...aber die sah irgendwie danach aus.

Die nächste, kleine Episode führt uns...in genau denselben Bus. Na ja, nicht ganz. Dieselbe Buslinie, aber einige Stunden später und in der Gegenrichtung.
Die Fahrt verläuft fast übertrieben ereignislos und nahezu langweilig. Alleine die Tatsache, dass ich schon wieder stehen muss, hält mich wach.
In diesem Moment aber greift der Busfahrer zum Mikro und hält die gleich folgende Ansprache. Nebenbei bemerkt mit einem sehr sympathisch wirkenden, osteuropäischen Akzent, den ich an dieser Stelle vermutlich nicht mal annähernd so schön im geschriebenen Wort rüber bringen kann:
"Räägen, Räägen, Räägen. Ja ja ja....es räägnet und ess hörrt nicht auf. Die Strrassen siend nass, die Bläätter liegen auf dem Weeg. Es isst ssehr glatt. Bitte beim Aussteigen schöön aufpassen. Immer laangsaam gehen. Ja ja. Am Samsstag wieder Fusseball. Daumen drücken für Sancktt Pauli und HSV.
Ich wünse ihnen eine schöne Wochenende!"
Es ist sicherlich überflüssig zu erwähnen, dass die Stimmung im Bus auf einen Schlag ins positive Gegenteil verwandelt wurde.
In diesem Moment stellte ich mir selbst die Frage, ob einer der einheimischen Busfahrer jemals so eine Durchsage zum Besten geben würde? Und ob sie im Fall des Falles auch so sympathisch angekommen wäre? Irgendwie zweifelhaft, war meine zugegebenermaßen nicht ganz eindeutige Antwort.

Zur gleichen Zeit bekam ich übrigens einen plötzlichen Heißhunger auf Toblerone. Sehr komisch. Ich hatte schon seit Ewigkeiten keine Toblerone gegessen. Aber ok, vielleicht war das ja der Grund...

Den Versuch, nun auch noch meine unterschwellige Kritik am ADAC in eine Alltagsgeschichte aus Hamburg einzubauen, erspare ich Euch an dieser Stelle. Einerseits weil mir keine passende Situation widerfahren ist. Und andererseits, weil ich es in diesem Fall ja auch einfach mal ganz direkt ausdrücken kann: Schrottverein!

Apropos HSV: es ist an und für sich ja ein gutes Zeichen, dass man sich am letzten Sonntag zu einer Krisensitzung zusammen gesetzt hat und acht Stunden (!) diskutierte. 
Aber, meine sehr verehrten Aufsichtsratsmitglieder (die ich hier nicht namentlich erwähnen kann, weil es einfach viel zu viele sind), sich danach heimlich zum Hintertürchen raus schleichen und den Pressesprecher verkünden lassen, dass nichts entschieden worden ist und alles wie gehabt weiterläuft, ist, gelinde gesagt, die größte Peinlichkeit, die mir seit langem unter die Augen und Ohren gekommen ist!!!
Hätte man nicht wenigstens beschließen können, dass zukünftig alle Schuhe blau sein müssen, es an den Wurstbuden keinen Senf mehr gibt oder die Eintrittskarten mit Gummibären-Hologrammen versehen werden sollen?!?!
Aber gar nichts?
Ich sag mal so: von nichts kommt nichts!

2 Kommentare:

  1. also ich hab dich noch nie tanzen sehen, alles andere schon ;) Warte schon lange, dass Du auch mal ein paar Worte zum HSV verlierst, oder ist hier jedes Wort überflüssig...? Tipp: Das Farb Experiment in der Conversation (HSV-Farbe zufällig?) würd ich wieder weglassen, mir taten die Augen weh ;)

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    1. Moin!

      Du hast mich noch nie tanzen sehen? Sei froh ;)
      Und zu dem Farbexperiment: mir taten beim Zuhören die Ohren weh. Das wollte ich authentisch rüber bringen :)
      Aber im Ernst: echt so schlimm? Worüber hast Du es Dir angesehen (Laptop, Handy, iPad, etc.)? Bei mir geht´s eigentlich.
      Aber danke für den Hinweis.

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