Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



20. Februar 2013

Inköpen

Jeder Mensch hat sicherlich verschiedene Dinge, mit oder bei denen er entspannen kann. Die meisten davon haben in diesem Blog sicherlich nichts zu suchen, entweder weil sie zu langweilig oder aber nicht jugendfrei sind.
Auch meine persönliche Palette der Entspannungsmethoden ist durchaus vielfältig. Wie gesagt, über einige dieser Dinge möchte ich lieber Stillschweigen vereinbaren, aber eine Sache davon kann und werde ich heute zum Thema machen: einkaufen!

Ich betone: einkaufen! Nicht zu verwechseln mit shoppen! Dieser Erfindung der Hölle! Diese Quälerei, die annähernd jedes weibliche Wesen dieser Erde in Perfektion beherrscht. Das Prinzip ist so genial wie auch einfach: unter einem harmlos klingenden Vorwand (z.B. "Schatz, ich möchte mir gerne braune Stiefel kaufen.") wird das ahnungslose Männchen ins Shopping-Center, zur Einkaufsstraße oder eine sonstige verteufelte Einrichtung gelockt. Dort angekommen, durchforstet das Weibchen dann ausnahmslos ALLE Läden und Regale und Artikel, die vorrätig sind. Ein Zusammenhang zum eigentlich Grund dieser Shoppingtour ist nicht mehr zu erkennen. Fertig! Das ist shoppen.
Kleiner Nachtrag: die Königinnen des Shoppens toppen diese Grausamkeit dann natürlich noch damit, dass sie alles mögliche kaufen, nur nicht das eigentliche, zuvor benannte, Ziel. Fertig!

Nein, wie gesagt, ich rede von einkaufen. Ganz entspanntes und langweiliges einkaufen. Für gewöhnlich bezeichnet man mit "einkaufen" auch lediglich den Vorgang, sich in einem Supermarkt Lebensmittel zu beschaffen. Und genau das meine ich. Herrlich entspannend.
Allerdings sollte der Supermarkt für entspanntes Einkaufen durchaus sorgfältig gewählt werden. Der Laden darf nicht zu klein und sollte zudem optisch ansprechend sein. Es dürfen auch gerne einige Artikel vorhanden sein, die man mit Sicherheit nicht kaufen wird. Einfach nur, um das Gesamtbild aufzupeppen. Fleisch- oder Käsetheken sind auch von Vorteil. Sie versprühen das Gefühl, dass hier alles frisch und hochwertig ist.
In meiner näheren Umgebung treffen diese Voraussetzungen auf eine Filiale von Rewe (ex MiniMal) zu. Soll jetzt kein Werbeartikel werden, aber dieser Rewe erfüllt nun mal alle Voraussetzungen und ist zudem auch noch bequem zu Fuß zu erreichen. Es gibt hier in der Nähe auch Filialen von Aldi, Edeka und sogar Lidl. Aber die sind meist doch zu weit entfernt. Und Aldi...also ganz ehrlich: ich gehe gerne bei Aldi einkaufen, aber entspannend ist das meistens nicht. Aldi ist irgendwie der One-Night-Stand, den man sich vom Kiez mitnimmt: ziemlich billig, etwas heruntergekommen und bietet nur das nötigste. Also alles in allem schon ganz ok, aber die Begeisterung ist doch schnell wieder verflogen.

 
Konzentrieren wir uns also auf Rewe. Schon alleine aufgrund der Öffnungszeiten sehr verlockend (die damit zusammenhängende Problematik in Sachen Arbeiter-Ausbeutung, Arbeitszeiten und Arbeitslohn sind mir bewusst, lasse ich an dieser Stelle aber unkommentiert).
So begab es sich also, dass ich letzten Montag gegen 21 Uhr ganz entspannt zu "meinem Rewe" ging. Für die nächsten beiden Tage stand lediglich "Urlaub" in meinem Terminkalender, so dass ich durchaus gewillt war, ein paar besondere Artikel und möglicherweise sogar ein paar überflüssige Artikel zu kaufen. Einfach nur, um das Gefühl zu haben, dass man langfristig versorgt und auf alle Eventualitäten vorbereitet ist. Ich dachte sogar kurz daran, einen Einkaufswagen als Beförderungsmittel auszuwählen, entschied mich jedoch spontan doch für den gewohnten Einkaufskorb. Und los ging´s, Programmpunkt "entspanntes einkaufen".

Erste Station: Obst- und Gemüseabteilung. Ich erinnerte mich daran, dass ich durchaus gewillt war, ungewöhnliche und überflüssige Artikel einzukaufen und verweilte daher vorm Gemüsestand. Nach kurzer Beratung mit mir selbst entschied ich mich für eine Schale Speisemöhren sowie den bunten Paprika-Mix. Rot, gelb, grün...der Ampel Mix. Wahnsinn, die Idee hätte von mir sein können. Missbilligend nahm ich zur Kenntnis, dass mein kleines Einkaufskörbchen nun schon fast voll war. Aber man gönnt sich ja sonst nichts (was in Sachen Obst und Gemüse in meinem Fall tatsächlich stimmt), also nahm ich diese Tatsache ganz entspannt hin. Gedanklich strich ich aber die ebenfalls platzraubende Chipstüte von der Einkaufsliste. Gute Idee, dann gibt´s als abendlichen Fernsehsnack eben lecker Möhrchen und Paprika. Dazu noch einen Eimer Sour Creme und schon gleicht man den Kalorien- und Geschmacksunterschied zu einer Tüte Chips locker aus und hat trotzdem das Gefühl, sich endlich mal gesund zu ernähren. Grandiose Idee!

Nächster Halt: Brote und Aufschnitte. Oh ja, lecker Frühstück. Da durfte natürlich der gute Nordsee-Krabbensalat nicht fehlen. Nordsee-Krabben! Nicht diese billigen Tiefsee-Arschloch-Krabben! Die, die man manchmal aus Versehen einkauft, weil sie immer direkt neben den guten Nordsee-Krabben stehen. Wirklich eine Schande, dass diese Loser der Krabbenfamilie überhaupt ihr Leben lassen mussten. Aber auch aus Mitleid werde ich eine Packung dieser billigen Raubkopie nicht erwerben!
Was noch? Ach ja, eine Packung gesundes Vollkorn-Toast natürlich. Salami, Mortadella und Käse hatte ich zu Hause noch auf Lager. Müsste auch alles noch gut sein. Glaube ich.

Also weiter zum nächsten Stopp: Kaffee! Ich muss gestehen, dass ich äußerst selten Kaffee kaufe. Nicht, weil ich ihn so selten trinke. Nein, meistens klaue ich mir immer eine Packung bei meinen Eltern, wenn ich dort mal zu Besuch bin. Nicht bestätigten Meinungen zu folge haben meine Eltern nämlich gleich nach Tchibo das größte Kaffeelager und -sortiment im Großraum Hamburg zu bieten.
Meine Augen scannten nun also das hier dargebotene Kaffeesortiment ab, auf der verzweifelten Suche nach einem Preisschild, auf dem keine 5 vorm Komma steht. Und tatsächlich, Bingo! Angebot für 3,88 Euro. Sogar die gute "Krönung". Aber was musste ich zu meinem Entsetzen kurz darauf feststellen: das entsprechende Regalfach war leer! Na war ja klar. Diese Schmarotzer! Kaum gibt´s mal irgendwo irgendwas günstiger, schon fallen sie alle darüber her, diese Geier.
Aber Schwamm drüber, ich studierte nun also alle anderen Marken noch mal intensiver. Leider waren die Preisunterschiede nur minimal (wie passend), größtenteils lagen alle Pakete mit gemahlenen Bohnen im Bereich zwischen 4,50 - 5,50 Euro. Schwierig. Nanu, was war das? Eine optisch irgendwie nicht passende Kaffeesorte erweckte mein Interesse. Die Verpackung sah irgendwie billiger aus als alle anderen, der Inhalt aber sollte mehr kosten als alle anderen. Dem musste ich auf den Grund gehen. Und es dauerte nicht lange und das Rätsel war gelöst: Fair Trade!
Fair Trade...mal überlegen...da hatte ich doch mal was drüber gelesen. Ja richtig, der faire Umgang mit armen Kaffeebauern aus sonst woher, die mehr oder weniger angemessen für ihre Arbeiten entlohnt werden. Klingt doch toll. Und so viel teurer als alle anderen Sorten war diese Sorte ja nun auch nicht. Und Stiftung Warentest bescheinigte in Form eines Stempels sogar noch eine gute Qualität. Und von den 31 getesteten Kaffeesorten waren schließlich nur 20 für gut befunden worden. Brauchte ich noch mehr Gründe? Nein, natürlich nicht. Gekauft.

So, damit hatte ich eigentlich alle notwendigen Artikel zusammen. Und dazu sogar noch ein paar überflüssige. Und Zigaretten gibt´s erst an der Kasse. Die Mission war also praktisch bereits erfüllt. Um die Entspannung aber noch mal auf die Spitze zu treiben, schlenderte ich auch noch die restlichen Regale ab. Was es nicht alles gab. Katzenfutter, Hundeleckerlies, Waschmittel, Müllbeutel, Schreibwaren, Süßigkeiten...Moment, Süßigkeiten! Also so eine kleine Belohnung hatte ich mir ja durchaus verdient. Und Chips hatte ich ja bereits durch Möhrchen ersetzt. Schauen wir doch noch mal bei Schokolade und Weingummi vorbei.

Mit großen Augen wandelte ich zwischen den Kalorienbomben umher. Was für eine Auswahl. Und alles so lecker. Und so teuer. Warum ist das eigentlich alles so teuer? Ich meine, ich werfe ja schon mit beiden Händen Geld zum Fenster raus, in dem ich mir regelmäßig Zigaretten kaufe und damit meinen Tod beschleunige. Da muss ich doch eigentlich nicht auch noch Unsummen investieren, um immer dicker zu werden, was den Tod letztlich auch noch mal beschleunigt. Was für ein Wahnsinn! Oh, Kinderriegel...lecker!
In diesem Moment fiel mir auf, dass sich neben mir nur noch eine einzige Person im Süßigkeitengang befand. Eine junge und durchaus attraktive Frau.

Was dann geschah, kennt man(n) eigentlich nur aus der Pornoabteilung einer Videothek:
Unsicher trafen sich unsere Blicke für einen kurzen Moment. Etwas peinlich berührt schauten wir schnell wieder auf die Waren. Nervös ging ich abwechselnd ein paar Schritte nach links und dann wieder zurück, und so weiter. Sie fummelte aufgeregt in ihrer Tasche rum, nahm etwas Kleingeld heraus und zählte es scheinbar, um danach damit in ihrer Hand rumzuspielen. Keiner wagte eine Bewegung in Richtung der Kalorienbomben. Unauffällig blickte ich noch mal zu ihr rüber und wieder trafen sich unsere Blicke. Oh Gott, wie peinlich. Ich konzentrierte mich auf die Kinderriegel. So nah und doch so fern. Und gar nicht mal so teuer. Aber ich kann doch jetzt keine Kinderriegel einpacken. Verdammt! Ich beobachtete sie im Augenwinkel aber sie schien wie angewurzelt. Nun nimm doch irgendwas und verschwinde, dachte ich bei mir. Aber sie tat es nicht. Ich versuchte sie zu provozieren und schlich, scheinbar die Warenauslage dabei untersuchend, direkt an ihr vorbei. Und tatsächlich rührte sie sich plötzlich. Wie sich rausstellte jedoch nur, um mir Platz zu machen. Ganz cool und souverän ging ich daraufhin bis zum Ende des Regals...um die Ecke, auf direktem Wege zurück zu den Kühlschränken und nahm mir einen Dreierpack "Kinder Maxi King"! Dumme Pute!

Auf dem Rückweg kam sie mir dann entgegen, in der Hand ein Packung M&M´s. Erleichtert aber auch etwas peinlich berührt lächelten wir uns zu.

Während ich leicht kopfschüttelnd zurück zur Ausgangsposition trottete, fiel mein Blick plötzlich nach links. Hier waren unzählige Pfunde der runter gesetzten "Krönung" palettenweise in einem extra Stand gestapelt. Das leuchtende Preisschild schien mich direkt anzublinken. Die "3" darauf grinste gehässig während sich die beiden Achten vor Lachen die dicken Bäuche hielten. So ein Mist!
Sofort zuckte mein Arm und war bereits auf halben Wege in meinen Korb, um den teuren Fair Trade Kaffe wieder rauszufischen. Aber ich konnte mich bzw. meinen Arm rechtzeitig stoppen. Nein, die Nummer ziehe ich jetzt durch. Heute tue ich mal Gutes, erst Gemüse und jetzt Fair Trade. Basta!
 
Emotional noch völlig erledigt, beschloss ich nun, meinen Einkauf zu beenden. Auf zur Kasse, an der um diese Uhrzeit glücklicherweise nie viel los war. Leider musste der junge Kassierer aufgrund meiner Bezahlabsichten sein Smartphone kurz zur Seite legen (wie gesagt, um diese Uhrzeit war echt nicht viel los), nahm sich dieses Prozesses dann aber doch professionell an. Er wünschte mir sogar noch einen schönen Abend, ehe er wieder nach seinem Smartphone griff.

Zu Hause angekommen, musste ich dann feststellen, dass ich den Eimer Sour Creme vergessen und auch den Einkaufslistenpunkt "Taschentücher" verdrängt hatte. Verdammter Mist! Immer das gleiche! Jetzt muss ich also noch mal los. Wehe wenn der Kaffee nicht schmeckt, dann drehe ich durch.

Ich könnt‘ mich aufregen!!!

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