Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



11. März 2013

Schau zurück, aber dreh dich nicht um

In den letzten zwei Wochen war ich relativ viel unterwegs.
Für meine Verhältnisse also übermäßig häufig vor der Tür. Und ich meine nicht nur arbeiten und einkaufen. So richtig Programm. Party, Videoabend, Restaurant, Kneipe, Hotelbar, Reeperbahn, Köln...so komisch diese Aufzählung klingt, so komisch waren auch die dazugehörigen Abende und Tage. Im positiven Sinne. Ich habe viele Freunde gesehen, viele nette Menschen getroffen und...ja, auch andere Menschen. Komische Menschen. Passt ja.

Spontan denke ich zuerst an den letzten Samstag zurück. Eines der Bilder, das sich mir in den Kopf gebrannt hat. Tatort: Hamburg, Gerhardstraße (Nähe Hans-Albers-Platz), "Peggy Sue". Tatbestand: Frau betritt Kneipe mit Ohrenschützern. Und ich meine nicht diese kleinen Pfropfen, die man sich in Erwartung eines Höllenlärms in die Ohren steckt. Ich meine klassische, vor Kälte schützende Ohrenschützer. Hierfür gab es in meinen Augen nur zwei Erklärungen: A) es hat geschneit (Tatsache) oder B) sie ist verheiratet und hat Angst, dass der Ring am Finger nicht auffällig genug ist, um nervende Männer von sich fernzuhalten (Vermutung). In jedem Fall Mission erfüllt.

Kiez-Kneipe "Peggy Sue" - Reservierungen nicht möglich
Ebenfalls in diesem Laden durfte ich Zeuge eines außerordentlichen Naturschauspiels werden. Mal wieder. Mehr oder weniger erwachsene Frauen stehen gewohnt cool und gefasst in einer Kiez-Kneipe rum, nippen an langweiligen Drinks, bewegen sich gelegentlich auf minimalste Art und Weise zur Musik und versuchen die ganze Zeit eine gewisse Überlegenheit auszustrahlen. Das funktioniert meistens auch ganz gut. Und es gibt eigentlich nur zwei Dinge, die es schaffen, diese Coolness zu durchbrechen: entweder A) George Clooney betritt den Laden (unwahrscheinlich) oder B) der DJ legt "The Time of my Life" auf (unvermeidlich). In einer mit dem bloßen Auge nicht zu erkennenden Geschwindigkeit verwandeln sich diese anständigen Damen plötzlich in kleine, pubertierende Mädchen, kreischen und schreien rum und man wird das Gefühl nicht los, dass sie sich auf einen Schlag alle selbst für "Baby" Houseman und die (meisten) umher stehenden Männer für Johnny Castle halten. In diesen Momenten empfehle ich "volle Deckung". Am besten am Tresen festkrallen (damit man nicht mitgerissen oder umgetanzt wird) und ein Bier bestellen (um die knapp fünf Minuten Dirty Dancing zu überbrücken).

Einige Tage zuvor machte ich eine andere, interessante Beobachtung. Tatort: Köln Hauptbahnhof. Tatbestand: rauchen außerhalb des markierten Raucherbereichs. Aber ich meine damit nicht, dass sich jemand eine Zigarette auf der gegenüberliegenden Seite des Bahnsteigs anzündete. Nein, sondern direkt daneben. Einen Schritt weiter nach rechts und die Person steht im aufgezeichneten Bereich.

Raucherzone an deutschen Bahnhöfen
Man muss natürlich noch dazu wissen, dass genug Platz war. Es war also nicht so, dass sich die anderen Raucher innerhalb des aufgemalten Gefängnisses bereits auf den Füßen standen und sich gegenseitig Löcher in die Klamotten brannten (das kann ich deshalb gut beurteilen, weil ich selbst zu diesen Rauchern gehörte). Ich habe für dieses Verhalten spontan daher nur zwei Erklärungen: entweder A) die besagten Leute sind einfach zu doof und verstehen die Anweisung nicht oder B) es ist ihre lächerliche Art des Protests gegen die scheinbare Diskriminierung der Raucher. Ihr letztes bisschen Revolution und Heldentum. Was auch immer der Grund ist, in beiden Fällen traue ich diesen Leuten zu, dass sie wegen Nichtigkeiten Kriege beginnen und auch kleine Kinder fressen.

Hier noch weitere Erkenntnisse der letzten Tage in zufällig ausgewählter Reihenfolge: Block-House macht wirklich gute Steaks, die Kiez-Kneipe "Mary Lou´s" kann ich leider nicht mehr weiter empfehlen (es sei denn, Ihr habt ein Faible für halbnackte, wichtigtuerische Barkeeper und schlechte Türsteher), der Cocktail "Zombie" heißt deshalb so, weil er wirklich sehr stark ist und der Film "Cloud-Atlas" nimmt gute fünf Stunden Zeit in Anspruch: drei Stunden Film und anschließend zwei Stunden Diskussion über Sinn und Symbolik.

Zum Schluss kehre ich gedanklich noch mal ins "Peggy Sue" zurück und möchte mich an dieser Stelle bei der unbekannten Frau bedanken, die mich um eine bis dahin unbekannte Erfahrung bereicherte. Gleich vorweg: das klingt aufregender als es wirklich war. Ich stand gerade am Tresen, das Bier in der Hand war noch halb voll und der Gassenhauer "The Time of my Life" erst seit wenigen Augenblicken verstummt. Mit vorsichtigen Blicken untersuchte ich die nähere Umgebung, um sicher zu gehen, dass sich die Lage wieder beruhigt hatte. In dem Moment fiel mein Blick ungewollt auf die Person neben mir: ca. 1,50 Meter klein, leichter Silberblick, Brille, kurze Haare, weiblich, feuchte Aussprache. Voller Inbrunst und Überzeugung schmetterte sie mir ein doppeldeutiges "Hallo!" entgegen. Ich musste spontan lachen und grüßte zurück. Scheinbar aufgemuntert davon fuhr sie fort: "Na, wie geht´s?" - Und da beschweren sich die Frauen immer über die schlechten Anmachsprüche von Männern. In diesem Moment jedoch tat sich der Himmel auf und ein güldenes Licht umgab mich. Endlich wusste ich, was viele Frauen schon so oft durchleben mussten. Dieses plumpe angemacht werden von unattraktiven und betrunkenen Menschen, die sich selbst völlig überschätzen. Eigentlich ein unangenehmes Gefühl, aber irgendwie auch amüsant und man fühlt sich automatisch überlegen. Ich antwortete ihr lediglich, dass sie sich für Getränke doch bitte an das Barpersonal wenden soll, da sie von mir nichts bekommen wird (nicht gerade wortwörtlich aber sinngemäß) und drehte mich dann meiner Begleitung zu. Einfach mal umdrehen...ein erhabenes Gefühl.

Vielleicht freut es den Leser zu hören, dass die kleine Unbekannte dann doch noch ein passendes Gegenstück finden konnte. Einen großen, schlacksigen St.Pauli Fan, der sich beim reinkommen als erstes lauthals über das gerade laufende Lied "Hamburg meine Perle" beschwerte. Mütze, Schal, Brille, Pickel. Immer schön zu sehen, wenn der Topf seinen Deckel findet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke für Dein Interesse!
Hier kannst Du Deine Meinung zum Thema, dem Post oder Blog los werden. Ich freue mich über jede Art von Feedback, also bitte keine Hemmungen. Aber immer schön freundlich bleiben...