Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



18. Juni 2013

McDoc und das Jesus-Double

Was war das gestern doch für ein toller, toller Tag!
Ich hoffe, man kann die Ironie im ersten Satz auf Anhieb herauslesen. Allerdings, das muss ich zugeben, fing der Tag in der Tat positiv an, denn das Rätsel, warum ich in den letzten Tagen ständig so müde war, wurde gelöst: ich bin krank!
Damit meine ich nicht den dauerhaften Zustand, der mich von Geburt an begleitet, sondern tatsächlich eine akute Erkrankung. Erkältung um genau zu sein. Super Timing, jetzt wo die bisher wärmsten Tage des Jahres bevorstehen. Aber Schwamm drüber.



Als Angestellter in Lohn und Brot (wobei ich meinen gesamten Lohn eigentlich immer für das Brot ausgeben muss) geht eine Erkrankung auch immer mit einem Arztbesuch einher. Ich wartete noch die Rush-Hour ab und machte mich gegen 10 Uhr auf dem Weg nach Eimsbüttel. Obwohl ich bereits mehr als zehn Jahre nicht mehr in diesem Stadtteil wohne, gehe ich dort immer noch zum Arzt...und auch zum Friseur. Gutes Personal ist halt schwer zu finden.

Der rot-weiße Mercedes mit Chauffeur kam überraschend pünktlich und ich bestieg das Gefährt in einem relativ entspannten Zustand. Wie auch schon zu Schulzeiten setze ich mich auch in Bussen gerne in die hinteren Reihen und befand mich gerade auf dem Weg dorthin. Meinem entspannten Zustand war dies jedoch nicht sonderlich zuträglich, denn mit jedem Schritt näher ans Heck wurde der Geruch stärker. Ein männlich markanter Mief, der auf eine erhöhte Transpiration des Duftträgers schließen ließ. Die Quelle war schnell gefunden: ein blonder Jesus-Typ, der breitbeinig am Gang saß. Während ich mich noch fragte, wie man bereits morgens um zehn ein derartiges Duftlevel erreichen konnte, hielten wir bereits an der U-Bahn Station. Noch leicht benebelt ertrug ich die folgende Bahnfahrt inklusive der gar lustigen Haltestellenansagen (sollte im Juni nicht damit Schluss sein?) umso leichter. Jedoch musste ich feststellen, dass Jan Delays "Oh Yeah!" mit Kopfschmerzen nicht unbedingt besser zu ertragen ist. Oder kamen die Kopfschmerzen erst dadurch? Egal.
Zum Schluss kam ich dann noch in den Genuss folgender Ansage: "Herzlich Willkommen in Eimsbüttel. Mein Name ist Smudo von den 'Fantastischen Vier'. Nächster Halt: Christuskirche."
Wohl überflüssig zu erwähnen, welcher Promi das war.

So langsam bereute ich bereits, dass ich trotz Kopf- und Gliederschmerzen nicht zur Arbeit gegangen war. Doch schon fand ich mich vor Hamburgs vermutlich langsamsten Fahrstuhl wieder, der mich in einer beruhigenden Geschwindigkeit in den vierten Stock des Ärztehauses brachte.
Ich betrat die Praxis und wollte am Schalter einchecken. Ich weiß nicht, ob es an mir lag oder der Tatsache, dass ich an einem Montagmorgen ohne Termin in einer Arztpraxis erschien, jedenfalls schmunzelte die Arzthelferin leicht und stammelte: "Tja, hmmm. Nein..."
Ich schaute mich um und musterte das gläserne Wartezimmer, das ähnlich gefüllt war wie eine Legebatterie. "Dauert´s heute etwas länger?", fragte ich ängstlich.
"Ja, es dauert etwas. Zu wem wollen sie denn?", erwiderte die Angestellte.

Diese Frage war ein Leichtes für mich, denn hinsichtlich der Auswahl eines Arztes in einer Gemeinschaftspraxis hatte ich eine ganz bestimmte Vorgehensweise. Zu Beginn gehe ich immer zum Chef der Praxis. Sein Name steht entweder am Anfang der aufgezählten Ärztenamen oder aber der ganze Laden ist sogar nur nach ihm benannt. Dies tue ich, um die Kompetenz der Einrichtung zu prüfen. Wenn nach ein paar Besuchen alles zu meiner Zufriedenheit verlaufen ist, beginne ich bei den folgenden Besuchen auf die Frage "Zu wem wollen sie?" einfach nur "Da, wo es am schnellsten geht." zu antworten. Dadurch habe ich nach ein paar Besuchen für gewöhnlich alle Ärzte mindestens ein Mal gesehen. Und nun kommt das eigentliche Auswahlverfahren. Davon ausgehend, dass alle Allgemeinmediziner mehr oder weniger gleich gute Leistungen erbringen und niemand in irgendeiner Art und Weise negativ aufgefallen ist, wähle ich nun den Coolsten. Warum? Ich möchte die Worte "Es sieht nicht gut aus. Ich gebe ihnen noch maximal sechs Monate." einfach nicht aus dem Munde eines ehemaligen Strebers und Nerds hören. Dann lieber ein Typ, der meinem eigenen Alter und Intellekt recht nahe ist und nicht so typisch nach Arzt aussieht.
Ein ähnliches Verhalten lege ich auch an den Tag, wenn ich eine viel befahrene Straße überqueren will. Bei japanischen Kleinwagen oder sonstigen Rostlauben bin ich immer etwas vorsichtiger. Wenn schon überfahren werden, dann von einem modernen 5er BMW oder besser.

Aus diesem Grunde antwortete ich der Dame am Tresen, dass ich bitte zu...ich nenne ihn mal "McDoc B." wollte.
"Der ist erst heute Nachmittag da. Ich gebe ihnen am besten gleich einen Termin für 17 Uhr."
Bepackt mit einem Termin schlich ich den Fahrstuhlschacht im Fahrstuhl wieder hinab, trottete zurück zur Bahn (Oh Yeah!) und wartete auf den diesmal zu späten Bus. Wie gewohnt ging ich erneut in den hinteren Bereich und da saß er wieder: lange Haare, breite Beine. Sogar derselbe Platz wie auf der Hinfahrt. Allerdings roch er nicht mehr ganz so streng. Keine Ahnung, wie er das so schnell geschafft hatte (vielleicht war er bei 'Douglas' in Eppendorf?), aber es war angenehm überraschend.

Nur wenige Stunden später ging es wieder los. Ab in den Bus, rein in die Bahn (Oh Yeah!) und im Schneckentempo zum vierten Stock. Voller Stolz verkündete ich nun gegenüber einer anderen Praxisangestellten, dass ich einen Termin hatte. Sie gab ein paar Buchstaben in ihren Computer ein und sagte daraufhin: "Ja, richtig." Natürlich war das richtig. Dennoch fühlte ich eine gewisse Erleichterung.
Ich betrat daraufhin das Wartezimmer und da war er wieder. Nicht der Jesus-Typ. Aber sein Geruch. Nur noch heftiger. Und dabei waren fast alle Fenster geöffnet und es saßen nur zwei Herren im Raum. Alle Achtung.
Ich platzierte mich möglichst weit weg von der vermeintlichen Geruchsquelle und wartete. Kurz bevor ich in Anbetracht der Luftqualität das Bewusstsein verlor, wurde mein Name aufgerufen.
McDoc B. trug diesmal ein weißes Calvin Klein Polo-Shirt und empfing mich gewohnt lässig am Schreibtisch. Meine Wahl des coolsten Arztes im Hause wurde erneut bestätigt. Zusätzlich fiel mir ein weiterer, durchaus wichtiger Grund zur Ernennung meines Leibarztes auf. Und ich bitte darum, den folgenden Satz rein medizinisch zu betrachten und sämtliche Zweideutigkeiten auszublenden: McDoc B. hat eine sehr angenehme Art, einem den Holzstiel in den Hals zu schieben. Ja, ist halt so. Kein Brechreiz, kein Würgen. Find' ich gut.

Mit der Krankschreibung im Gepäck verließ ich nun zum zweiten Mal die Praxis. Ab in den Schneckenfahrstuhl, schnell zur...na ja, Ihr kennt den Weg ja mittlerweile.
Eine kleine Überraschung gab's dann mal wieder im Bus. Der Jesus-Typ blieb zwar weiterhin verschwunden, dafür hatte ich offensichtlich exakt den gleichen Bus wie bei meiner Hinfahrt um 17 Uhr erwischt. Es war jedenfalls der gleiche Fahrer. Und um diesem Tag einen angemessenen Abschluss zu verleihen, setzte ich mich auf den Jesus-Platz. Allerdings nicht so breitbeinig. Ich musste noch an das Holzstäbchen denken.


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