Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



14. Januar 2013

Mission: Bus

In den letzten Tagen und Wochen habe ich ein kleines Experiment gestartet. Titel: "Zwischenmenschliche Beziehungen, Gebaren und Interaktionen beim Einsteigeprozess im öffentlichen Personen-Nahverkehr, Beispiel Bus, und ihre möglichen Auswirkungen auf die Fahr-Modalitäten des Fahrzeugführers."
Vereinfacht ausgedrückt: kann ich die Fahreigenschaften des Busfahrers durch Art und Weise meiner Begrüßung beim Einsteigen beeinflussen?

Zu der Idee kam ich aus verschiedenen Gründen. Einerseits, weil einige Busfahrer echt nen miesen Reifen auf´s Teer legen und andererseits, weil man (mit wenigen Ausnahmen) seit März 2012 auf allen Buslinien des HVV vorne, beim Fahrer, einsteigen muss.


Wer aufmerksam die Hamburger Tagespresse verfolgt, wird mir zustimmen, dass es im Bereich "Bus" durchaus Verbesserungsbedarf gibt. Immer wieder liest man von kleineren und leider auch größeren Unfällen mit Bus-Beteiligung.

Aber zurück zur Versuchsanordnung. Zunächst einmal musste ich feststellen, in welchem Gemütszustand die Mehrheit aller Fahrgäste einen Bus betritt. Warum? Um eine Veränderung beim Busfahrer zu bewirken, musste ich mich ja zwangsläufig von der Masse absetzen. Die Auswertung dieser Teilanalyse dauerte nicht lange und überraschte auch nicht im Geringsten: der Gemütszustand der meisten Fahrgäste ließ sich als "neutral bis grimmig" einstufen. Nur wenige Einzelfälle konnte man als freundlich ("Einen schönen, guten Morgen. Ein Erwachsener bis zum Rathaus, bitte schön.") bezeichnen, ähnlich wenige als unfreundlich bis aggresiv ("Wieso willst du meine Karte sehen?! Hä? Rassist! Arschloch...").
Ich entschied mich daher für den Anfang für einen freundlichen Gemütszustand, leichte Anpassungen oder Steigerungen im Versuchsverlauf möglich. Das Aggressive liegt mir dann doch nicht so sehr und außerdem wollte ich den Fahrer nach Möglichkeit ja auch lieber positiv beeinflussen.

Damit stand das Gerüst dieses Experimentes auch schon. Es fehlten nur noch ein gültiger Fahrausweis (Monatskarte: check) und ein Bus inkl. Fahrer. Und los ging`s:

Woche 1: Test-Stimmung "freundlich - moderat"
> Karte deutlich zeigen, tageszeitlich passende Begrüßung, kein Lächeln, wenig bis kein Augenkontakt.
> Ergebnis: Fahrer grüßt zurück: 40% / Fahrer grüßt und lächelt: 0% / Fahrer scheint freudig überrascht und reagiert überschwänglich: 0% / Fahrer reagiert scheinbar gar nicht: 60%
> Auswirkungen auf Fahrstil: keine erkennbaren Veränderungen

Woche 2: Test-Stimmung "sehr freundlich"
> Leichte Fächel-Bewegungen mit der Karte, tageszeitabhängige Begrüßung, deutliches Lächeln, Augenkontakt.
> Ergebnis: Fahrer grüßt und lächelt: 40% / Fahrer scheint freudig überrascht und reagiert überschwänglich: 1% / Fahrer reagiert scheinbar gar nicht: 49% / Fahrer wirkt noch grimmiger als vorher: 10%
> Auswirkungen auf Fahrstil: 1x rote Ampel überfahren, 1x vergessen hintere Tür zum Aussteigen zu öffnen

Woche 3: Test-Stimmung "äußerst freundlich - fast aufdringlich"
> Karte, Grinsen und Augenkontakt bereits beim ersten Schritt "im Anschlag", flottes "Moin Moin!", bedanken nach der Kartenkontrolle, fröhliches Pfeifen.
> Ergebnis: Fahrer grüßt und lächelt: 55% / Fahrer scheint freudig überrascht und reagiert überschwänglich: 5% / Fahrer reagiert scheinbar gar nicht: 25% / Fahrer wirkt noch grimmiger als vorher: 15%
> Auswirkungen auf Fahrstil: 1x rote Ampel überfahren, 1x grüne Ampel verpennt, 1x Streit mit anderem, weiblichem Fahrgast wegen Überfahrens einer anderen roten Ampel (ich glaube ja, sie war gelb) - während des Streits stand der Bus die ganze Zeit nur wenige Meter vor der nächsten Haltestelle und der Fahrer rief sogar irgendwann die Zentrale über´s Mikro

An dieser Stelle brach ich das Experiment ab...also nachdem wir die Haltestelle dann endlich mal erreicht hatten. Die positiven Veränderungen waren kaum warnehmbar und scheinbar schürte ich mit zunehmender Dauer sogar einige Aggressionen. Außerdem fiel mir irgendwann auf, dass ich die Auswirkungen auf den Fahrstil praktisch nicht bewerten konnte, da ich die Fahrt vor meinem Einsteigen ja schließlich nicht mitbekommen hatte.

Dennoch war das Experiment nicht sinnlos, denn eine Erkenntnis konnte ich daraus gewinnen: die Frauenquote beim HVV ist definitiv zu gering!!!
Tagelang Männer freundlich anlächeln war also nicht ganz umsonst.

Nächstes, geplantes Experiment: wie viele verschiedene Wege führen per Taxi von der Reeperbahn zu mir nach Hause, welcher Weg ist der teuerste und wie viel Trinkgeld ist in diesem Fall angebracht?!

2 Kommentare:

  1. Ich hätte auch eine Idee für eines deiner nächsten Experimente: Thema: Gruppenkonformität oder Herdentrieb. Verhalten der Leute in den Aufzügen beobachten. Vorschläge: Du guckst jemandem direkt in die Augen anstatt normalerweise auf den Boden oder auf die Anzeige, oder versuchst während der Fahrt einer Person möglichst nahe zu kommen, die menschliche Intimdistanz ignorierst du also komplett. Macht Spass :)

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    1. Ich glaube, das ist mir zu gefährlich :-)
      Hab mal gelesen, dass sich sogar Schimpansen im Fahrstuhl merkwürdig verhalten.

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