Ein Blog aus Hamburg über Hamburg. Eine humorvolle Betrachtung des alltäglichen Treibens. Es geht um die Menschen und die Ereignisse in der Hansestadt. Die komischen Menschen und die komischen Ereignisse. Kleine Ereignisse in der großen Stadt. Leise Töne in einer lauten Umgebung. Amüsant, unterhaltend, manchmal wirr. Eben 'Tüdelkram from Hamburg'.



26. Januar 2013

Wer ist eigentlich Felix?

Freitagnachmittag in Hamburg. Es ist kalt. Saukalt. Besonders wenn man sich draußen aufhält. Und ganz besonders, wenn man dort draußen gerade nichts besseres zu tun hat als rumzustehen. Und rauchen darf man hier auch nicht. Richtig, ich befinde mich an einem Bahnhof. Ich kenne kaum besser durchlüftete Orte als oberirdische Bahnhaltestellen. Trotzdem ist das Qualmen hier verboten. Ich werde es nie verstehen.
Da stand ich also nun, frierend, Hände in den Taschen, mit der einen Hand die Zigarettenschachtel umfassend (so nah und doch so fern), grimmig dreinschauend. Und dann kam er.

Ein junger Bursche, lässig gekleidet, 3-Tage-Bart, die Frisur etwa 1,90 Meter über dem Boden, sportlich. Auch als durch und durch heterosexueller Mann musste ich neidlos anerkennen, dass dieser Kerl eine gewisse Ausstrahlung hatte. Und er hatte, wie es nur wenige Menschen haben, die Fähigkeit, auch unter widrigsten Bedingungen noch gut auszusehen.
Der normale Durchschnittsmensch hat ja generell so seine Schwachstellen was die Optik angeht. Regen zum Beispiel verträgt er meistens gar nicht. Und je länger die Haare, umso erbärmlicher wird das Ergebnis. Wind ist auch sehr ungünstig. Und auch hier spielt das Haupthaar eine (Achtung Wortspiel!) tragende Rolle. Sonne kommt auch nicht immer gut. Wenn die Haut krebsrot wird und/oder der Schweiß rinnt. Steht eben nicht jedem.

Und auch ich machte in diesem Moment sicherlich keinen wirklich überzeugenden Eindruck. Denn wenn ich etwas aus dem schulischen Biologie-Unterricht behalten habe, was nicht mit der Fortpflanzung des Menschen zu tun hat, dann sind es die Tatsachen, dass Photosynthese Sauerstoff erzeugt und Pandabären einen kreisähnlichen Körperbau haben, um sich gegen Kälte zu schützen. Und eben diese Körperhaltung ahme ich bei besonderer Kälte nach: der Kopf wird eingezogen und leicht nach vorne gebeugt, der Hals verschwindet zwangsläufig, der Rücken krümmt sich und ich gehe leicht in die Knie. Ein wirklich erbärmlicher Anblick aber ich bilde mir ein, dass es hilft.

Tja und neben mir stand nun also dieses Modell aus dem Otto-Katalog. Ich wusste mir nicht anders zu helfen und entschloss mich, noch grimmiger dreinzuschauen. Und tatsächlich, die Situation erlebte eine unerwartete Wendung. Der Adonis begann ein Telefongespräch.

Zunächst muss man dazu wissen, dass er ein Headset benutzte. Sozusagen Kopfhöhrer mit Mikro im Kabel. Die meiner Meinung nach unnützeste Ausrüstung für einen Fußgänger (bzw. Bahnfahrer), der auch noch beide Hände frei hat. Und es sieht einfach dämlich aus, dieses "in´s Nichts Gequatsche". Als würde derjenige ein Selbstgespräch führen. Und weil sie es selber wissen, nehmen sie das kleine Mikro am Kabel ja dann auch ständig in die Hand und halten es vor den Mund. Was irgendwie verständlich ist aber letztlich einfach nur noch blöder aussieht. Na egal, Hauptsache meine Laune verbesserte sich langsam.

"Hey Digga, was geht?" Ich dachte, ich hör nicht richtig. Digga? Mein geliebtes und vermisstes Digga (ich verweise auf meinen kürzlich verfassten Beitrag "David, Digga und die Wache" in Verbindung mit der "Sondermeldung Digga"). Da war es wieder.
"Ich bin jetzt Barmbek!" Ach was, er ist jetzt also Barmbek. Und was war er vorher? Steilshoop? Billstedt? Primat? Amöbe? Und ich dachte immer, dass, wenn überhaupt, Lotto King Karl das Privileg genießt, die Formulierung "Ich bin Barmbek" benutzen zu dürfen. Aber meinetwegen, Mr. Wonderful war jetzt also Barmbek.


"Ey Alter, es ist voll kalt. Scheißkalt", sagte Barmbek. Und Recht hatte er.
"Ey Digga, warst du heute überhaupt schon mal draußen?" Um 16:30 Uhr darf man so eine Frage durchaus mal stellen. Es war dann nicht ganz einfach zu erraten, was der Gesprächspartner darauf antwortete. Es war möglicherweise ein einfaches "Nein" oder aber etwas in der Richtung "Ja, und dann habe ich mich mit deiner Freundin getroffen und wir haben zusammen mit deinen Eltern Swingerclub gespielt". Barmbek reagierte jedenfalls so: "DU WICHSER!"
An dieser Stelle wechselte der Frage-Antwort-Rhythmus.
"Ja, war voll übel, Digga. Also was heißt übel. Ich bin letzter geworden. Aber war trotzdem übel!" Meine Neugier verhielt sich nun proportional zu der Unsinnigkeit der Äußerungen.
"Ey Digga, ich weiß auch nicht. Ich kann das irgendwie nicht."
Wie gesagt...Neugier!
"Ja ey Digga, und dann war das so: bei gelb durfte man nicht überholen. Und dann Digga, fahren so zwei Stricher ganz gemütlich an mir vorbei. Ey voll die Stricher, Alter."
Ah ok, es ging offenbar um´s Kartfahren. Ich war aber noch nicht ganz sicher, ob es sich dabei um die verspätete Weihnachtsfeier der Ladyboys aus der Talstraße handelte oder aus welchem Grund sonst zwei Stricher anwesend waren. Die dann folgende Teilnehmerliste half mir dabei auch nicht wirklich weiter.
"Ja ey, Ahmed, Ali, Farhan, Ferhan und Felix. Was? Nein, Ferhan....FERHAN!"
Spontan hätte ich ja eher vermutet, dass der Zuhörer über den Namen Felix stolpert. Aber nun gut. Und im ersten Moment war ich völlig begeistert, dass Barmbek die Namen seiner Bro´s in der alphabetisch korrekten Reihenfolge aufsagte. Bis mir auffiel, dass Felix auch in diesem Punkt aus der Reihe tanzte.

Ich will nicht unerwähnt lassen, dass Barmbek während des gesamten Telefonats in relativ gleichbleibenden Abständen das Sekret seiner Speicheldrüsen auf den Bahnsteig absonderte. Umgangssprachlich auch "rotzen" genannt. Auch das führte dazu, dass ich mich von Minute zu Minute besser fühlte. Außerdem schien es wärmer zu werden und Barmbek (also das richtige Barmbek meine ich jetzt) erschien in einem völlig neuen und schönen Glanze.

Da man den Intelligenzquotienten von Telefon-Barmbek nun ganz gut einordnen konnte (er lag wohl irgendwo zwischen dem des Bodenbelags und dem des Getränkeautomatens hinter ihm), war ich natürlich auf den weiteren Verlauf des Gesprächs sehr gespannt. Leider fuhr in gerade diesem Moment die S-Bahn ein und im Gedränge des Ein- und Aussteigeprozesses verloren wir uns aus den Augen. Schade!

Barmbek, falls Du das hier ließt: You made my day!

4 Kommentare:

  1. You made my day, too. Was machste überhaupt in Barmbek, Digger? Musst du jeden Tag Barmbek vorbeifahren? Eigentlich ist Barmbek noch harmlos:)

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    1. Bei mir im Haus wird renoviert, ich bin vorübergehend nach Barmbek geflüchtet. Ich vermute mal, dass der Typ bis zur Endstation fahren wollte: Poppenbüttel!!! Da is' krass ;-)

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  2. Herrlich :D Das traurige ist nur, dass es solche Menschen einfach ÜBERALL gibt. Letztens in Gießen (meine kleine Stadt in Hessen) saßen mir im Bus auch 2 sicherlich schon 25 jährige gegenüber. Die Sprache unzumutbar. Ich war auf dem Weg zu einer Party, dementsprechend gekleidet. Meine Halstelle war in Sicht, also stand ich auf. Es war schon dunkel, die Lichter im Bus an, also haben sich die Gesichter der beiden in der Scheibe gespiegelt. Haben sie anscheinend nicht wirklich gemerkt, denn ohne Scheu oder Scham, betrachteten sie meinen Hintern als gäbe es kein Morgen mehr.
    "Na, gefällts?", sagte ich mit einem leicht verärgerten Unterton und bekam die Antwort des Jahrhundert auf eine solche Frage "Ei, Alte! Wenn du da so stehst, ey, was soll isch machen!"
    Nothing left to say :D

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    1. Muss ich aber auch sagen, eine klare Provokation von Dir ;)
      Aber solange solche Jungs nur komisch reden, ist ja alles in Ordnung. Und man hat immer was Lustiges zu schreiben :)

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